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1970 Hörspiel "Mord im Pfarrhaus" Bayerischer Rundfunk

Verfasst: 05.07.2009, 00:24
von Agarallo
Mord im Pfarrhaus
von Agatha Christie
Regie: Otto Kurth
Produktion: BR 1970
50 Minuten

Pfarrer - Hans Quest
Griselda, seine Frau - Ingrid Capelle
Dennis - Elmar Wepper
Mary, Dienstmädchen - Edith Hancke
Ronald Hawes - Wolfgang Weiser
Virginia Hampton - Carin Braun
Miss Marple - Erika v. Thellmann
Price Ridley - Paula Denk
Anne Hampton - Hanne Wieder
Lawrence Redding - Jürgen Goslar
Dr. John Haycock - Alf Tamin
Inspektor Slack - Günther Sauer
Jenning, Polizist - Alexander Malachovsky

Miss Marple hat einen Mordfall zu lösen -
der Oberst wurde erschossen, von hinten in den Kopf.

P.S.:
Es sind schon einige Versuche gestartet worden, mehr "Miss Marple" und "Hercule Poirot"-Hörspiele in Angriff zu nehmen.
Leider sind die Hörspielrechte nur sehr schwer zu erwerben.
Deshalb weicht man meist auf die Lesungen aus.

Re: 1970 Hörspiel "Mord im Pfarrhaus" Bayerischer Rundfunk

Verfasst: 29.04.2021, 08:34
von Hastings
Da mir gerade mal nach Marple war (und die Auswahl klein), habe ich mir nach langer Zeit noch mal diese Vertonung zu Gemüte geführt. Und sie war durchaus nicht so schlimm, wie ich sie in Erinnerung hatte. Miss Marples Debüt, 1970 vom BR in Szene gesetzt, basiert allerdings nicht auf dem gleichnamigen Roman, sondern auf der Theaterfassung, die zeitgleich auch für's Fernsehen produziert wurde (Ingrid Capelle spielt in beiden Fassungen die Pfarrersfrau Griselda, ihr Mann Hans Quest war Regisseur der Filmfassung und spricht im Hörspiel den Pfarrer und Paula Denk übernahm in beiden Versionen die Miss Price Ridley).

Die inhaltlichen Unterschiede halten sich in Grenzen, auffällig sind die von der Romanfassung abweichenden Namen einiger Personen, und daß man die nötigen Kürzungen überbrückte, indem Miss Marple stellenweise (etwas unbeholfen) als Erzählerin eingesetzt wurde. Ansonsten läuft der Plot recht flott ab, trotz 90 Minuten Spielzeit unterhält die Geschichte durchaus, sofern man keine aktuellen Produktionen als Vergleich heranzieht. Damals war halt alles etwas ruhiger und gemütlicher, was sich auch in der Untermalung niederschlägt. Musik ist gar keine vorhanden, die Effekte eher zweckdienlich (und vermutlich handgemacht), man hat tatsächlich fast den Eindruck, einer Theateraufführung zu lauschen. Schritte, Türenschlägen, etwas Glockengeläut und während Miss Marples Erzählpassagen Vogelgezwitscher (da sie sich dabei in ihrem Garten befindet).

Störend sind hier allerdings 3 Faktoren, und die sind nicht gerade gering:
Da wäre zunächst Erika von Thellmann (wer?) als Miss Marple. Die kann man allenfalls noch als zweckdienlich durchwinken, eine ältere Frauenstimme halt, mit dem seinerzeit noch weit verbreiteten Hang zum rollenden "R". Da Miss Marple - abgesehen von ihrer Erzählerfunktion - allerdings hier eher unter "ferner liefen" agiert und es am Ende relativ überraschend ist, daß sie den Fall klärt, hätte man doch besser eine Sprecherin mit etwas mehr "Gravitas" und Sympathie besetzen müssen, die der Bedeutung der Figur gerecht geworden wäre. Allerdings schlägt sich von Thellmann wenigstens besser als Inge Langen in der TV-Fassung.
Punkt 2 wäre das Dienstmädchen Mary, dem Edith Hancke ihre unverkennbar nervige Stimme leiht. Hier kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß man zufällig einen "großen Namen" parat hatte und ihm eine Bühne geben wollte, denn Hanckes Tom Jones-Eskapaden und ihre ewige Nörgelei sind weder witzig, noch tragen sie zum Fall bei. Anstelle des Pfarrers hätte ich ihre Kündigung eher mit einer Flasche Champagner gefeiert, anstatt sie zum Bleiben zu beknieen.
Der letzte Punkt wiegt allerdings am Schwersten - man hat, wie auch für die Fernsehfassung, die mehr als altertümliche Theaterübersetzung von Peter Goldbaum verwendet, die mit eingedeutschten Anreden (Herr, Frau, Fräulein - ja, auch Fräulein Marple!) und merkwürdigen Begriffen wie "Hilfspfarrer" (noch nie von Kaplan gehört?) nervt. Immerhin werden wenigstens die Namen korrekt ausgesprochen.

Besetzung und Regie ist kein Vorwurf zu machen, sind doch einige renommierte Schauspieler (neben den bereits genannten noch Elmar Wepper, Hanne Wieder und Jürgen Goslar) dabei, und die verstanden damals ihr Handwerk.

Nicht so schlecht, wie in meiner Erinnerung, aber selbst nach damaligen Maßstäben wäre da trotzdem etwas Luft nach oben gewesen. Wenigstens die in den 50ern aufgekommene Unsitte der eingedeutschten Anreden (die bei der Filmsynchronisation schon in den 60ern ausgemerzt wurde) hätte man korrigieren können. Dennoch - immerhin ist es das einzige verfügbare Miss Marple-Hörspiel in deutscher Sprache (an die WDR-Vertonung von "Die Tote in der Bibliothek" aus dem Jahre 1957 ist wohl nicht dranzukommen), da wollen wir mal nicht so sein...