Agatha und der Reiz der Giftmorde

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Agarallo
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Agatha und der Reiz der Giftmorde

Beitrag von Agarallo »

Kein gebräuchliches Mordmittel
Als Mordwaffe tauchte Digitalis zum ersten Mal 1864 in einem Gerichtsverfahren gegen den Homöopathen Dr. de la Pommerais in Frankreich auf. Er hatte seine schwangere Geliebte durch wiederholtes Verabreichen von kleinen Dosen Digitalis getötet.
Es ist anzunehmen, dass Agatha Christie diesen Fall kannte und mit den Symptomen vertraut war. Bei einer Vergiftung mit Digitalis verlangsamt sich zuerst die Herztätigkeit. Dann treten Erbrechen und Übelkeit auf und das Herz beginnt, doppelt so schnell zu schla- gen. Wird eine tödliche Dosis eingenommen, steigt der Blutdruck stark an, der Puls fällt ab und das Herz bleibt stehen.
Da Digitalis kein gebräuchliches Mordmittel war, tappten die Rechtsmediziner im Fall Pommerais lange im Dunkeln, bevor es ihnen gelang, im Erbrochenen der unglücklichen Arztgeliebten Digitalis-Spuren nachzuweisen

Empfehlenswerte Lektüre
Nicht nur eine gute Schriftstellerin, sondern auch eine Spitzentoxikologin gewesen zu sein, bescheinigen Agatha Christie heute zwei Gerichtsmediziner: der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin, Professor Volkmar Schneider, und Dr. Benno Rießelmann vom Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin.
Die beiden Toxikologen haben eine wissenschaftliche Studie unter dem Titel Giftmorde in Agatha Christies Romanen verfasst und unter anderem festgestellt, dass in 41 ihrer 73 Romane tödlich wirkende Gifte eingesetzt werden. Sie empfehlen ihren Fach-Kollegen sogar die Lektüre der Christie-Romane,
weil die Autorin sehr genau die Wirkung und Symptome der Gifte beschreibe, einschließlich ärztlicher Fehldiagnosen.
Das ist nicht aus der Luft gegriffen: 1977 rettete ihr Buch Das fahle Pferd sogar einem Menschen das Leben. Damals wurde ein 19 Monate altes Kind mit einem mysteriösen Krankheitsverlauf in eine Londoner Klinik ein- geliefert. Kein Arzt wusste die Symptome richtig zu deuten, bis eine Krankenschwester die Beschreibungen ihrer Lieblingsautorin mit dem Krankheitsfall in Verbindung brachte und den entscheidenden Hinweis gab: Thallium! Doch woher hatte die Autorin ihr Wissen?

Etwas fehlt im Giftschrank
Die Antwort liegt in der Biografie der Schriftstellerin: Agatha Christies Leidenschaft für Gifte wurde während des Ersten Weltkriegs geweckt. In dieser Zeit arbeitete sie als Krankenpflegerin in einem Feldlazarett in Torquay und als Apothekerassistentin. Hier kam ihr auch die Idee zu ihrem ersten Roman Das fehlende Glied in der Kette. Eines Tages verschwand nämlich eine größere Menge Arsen spurlos aus den Giftschränken der Apotheke.
Schimmernde Phiolen
Eines ihrer Gedichte aus dieser Zeit endet mit den Versen: "Von der Zeit der Borgias bis zum heutigen Tag ist ihre Macht erprobt und erwiesen! Blauer Eisenhut, das Aconit, und das tödliche Zyanid! Hier liegt Schlaf und Trost, gelinderter Schmerz und neuer Lebens- mut! Hier liegt Drohung und Mord und plötz- licher Tod in grün und blau schimmernden Phiolen."
Doch wer hofft, in den weltbekannten Romanen der sachkundigen Britin auf die Anleitung für einen Giftcocktail zu stoßen, wird enttäuscht: Agatha Christie gibt keine Rezepturen an. Die exakte Dosis sei schließlich entscheidend, sagt Toxikologe Benno Rießelmann: "Und das ist der Punkt, bei dem Agatha Christie diskret blieb. Die Dame wusste eben, was sich gehört."


Agatha Christies schönste Bücher mit Gift:
Das fehlende Glied in der Kette (1920, mit Strychnin),
Die Pralinenschachtel (1924, mit Blausäure),
16 Uhr 50 ab Paddington (1957, mit Blauem Eisenhut),
Das fahle Pferd (1961, mit Thallium)
"Keiner entgeht seinem Waterloo!"
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